Seit dem 03. Juni war das Technische Hilfswerk (THW), Ortsverband (OV) Freising nach der verheerenden Unwetterkatastrophe vom 01.06.16 fast ununterbrochen im Landkreis Rottal-Inn im Einsatz. Dabei wurden durch die ehren-amtlichen Einsatzkräfte aus Freising in fast 10.000 Einsatzstunden drei Behelfsbrücken des Typs Bailey errichtet.
Am 01.06.2016 führten Starkregenfälle im Landkreis Rottal-Inn zu katastrophalen Zerstörungen. Durch die Fluten kamen sieben Menschen ums Leben, hunderte Häuser wurden zerstört oder beschädigt und die Straßeninfrastruktur, und hier vor allem Brücken und Wasserdurchführungen, stark in Mitleidenschaft gezogen.
Durch die Führungsgruppe Katastrophenschutz wurden die Brückenbauspezialisten des THW Freising bereits ab Samstag, 04.06.16 mit der Erkundung von zerstörten Brücken beauftragt. Schwerpunkt der ersten Erkundung war die unterbrochene Straßenverbindung zwischen Simbach und Obersimbach zum Schulzentrum. Hier hatte aufgestautes Wasser die Straße auf einer Länge von knapp 20m mitgerissen. Insgesamt an 4 Tagen im Verlauf der Woche rückten die Brückenbauspezialisten in den Landkreis Rottal-Inn aus, um die von der Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) mittlerweile zusammengetragene Liste der Schadstellen im Straßennetz zu erkunden. Insgesamt wurden dabei 10 mögliche Stellen für Behelfsbrücken identifiziert und erkundet, fünf davon ergaben reale Einsatzoptionen für den Behelfsbrückenbau.
Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des THW Freising unter Führung der THW-Fachgruppe Brückenbau errichteten deshalb in den vergangenen vier Wochen jeweils an den Wochenenden drei Behelfsbrücken des Typs Bailey in der Gemeinde Wittibreut auf der Staatstraße PAN4, in der Gemeinde Zeilarn von der Staatsstraße 2090 nach Winkelmühle und zuletzt in der Stadt Simbach am Inn. Verwendet wurde in allen drei Fällen das Behelfsbrückengerät "Bailey", ein seit über 70 Jahren erprobtes und bewährtes Behelfsbrückensystem.
Die Bailey-Brücke ist eine transportable Not- oder Behelfsbrücke, die aus Einzelbauteilen montiert wird. Sie kann ohne Maschinen montiert werden, die Einzelteile der Brücke sind tragbar, das schwerste Teil ist das sog. Brückenfeld mit 272 kg. Die Einzelteile können mit normalen LKW transportiert werden, die Montage findet heute üblicherweise mit Hilfe des THW-eigenen Mobilkrans und Ladekran statt, alle Elemente werden mittels Bolzen bzw. Schraubverbindungen verbunden. Ursprünglich für den militärischen Bereich entwickelt, wird sie heute vor allem im zivilen Bereich für vorübergehende Überbrückungen, z. B. als Ersatz für zerstörte Brückenbauwerke, verwendet. Das Behelfsbrückengerät Bailey ist das einzige im Zivil- und Katastrophenschutz verfügbare System, dass ohne aufwändige Fundamentierung auch direkt auf Straßen und jede andere Art von dauerhaft tragfähigem Untergrund gesetzt werden kann. Es ist belastbar bis Brückenklasse 30, also tragfähig auch für LKWs bis 30 Tonnen Gewicht. Nur die Kombination aus hoher Flexibilität der Bauweisen, die dieses Behelfsbrückensystem ermöglicht und die extrem robuste Ausführung machten es den Brückenbauspezialisten möglich so schnell und angepasst die notwendigen Behelfsbrücken zu errichten.
Für die Freisinger Brückenbauspezialisten bedeutete dieser Katastrophenhilfeeinsatz eine wahre Materialschlacht und vor allem körperlich extrem harte Arbeit. Die Gesamtbilanz des Freisinger Katastrophenhilfeeinsatzes in Rottal-Inn in Zahlen kann sich sehen lassen:
- rd. 72,8 lfm Bailey-Behelfsbrückengerät errichtet
- 115,9 to. Bailey Behelfsbrückengerät verbaut
- 8 Tage reine Bauzeit mit Transportlogistik für alle drei Brücken
- zusätzlich ca. 14 Manntage für Erkundung, Planung, Vorbereitung
- Ø 42 Helferinnen und Helfer des OV Freising pro Einsatzwochenende
- Insgesamt 126 ehrenamtliche Helfer des THW Freising im Einsatz
- knapp 10.000 ehrenamtliche Einsatzstunden OV Freising nur für den Behelfsbrückenbau
"Es ist eine unglaubliche Leistung unserer ehrenamtlichen Freisinger Einsatzkräfte, dass sie in so kurzer Zeit drei Behelfsbrücken im Rahmen der Katastrophenhilfe und in direktem zeitlichen Zusammenhang zum Schadensereignis errichten konnten." so der Freisinger Ortsbeauftragte Michael Wüst stolz. "Wenn man bedenkt, dass uns für die größte Behelfsbrücke in der Gemeinde Wittibreut von der ersten Erkundung bis zur Fertigstellung der Brücke gerade einmal 4 ½ Tage blieben ist das ein eindrucksvoller Beweis der Fähigkeiten des THW Freising, in Katastrophen- und Unglücksfällen extrem schnell auch sehr aufwändige Hilfe zu erbringen" ergänzt Florian Wigger, Gruppenführer der Freisinger THW-Fachgruppe Brückenbau. .
Viel Zeit zum ausspannen bleibt den ehrenamtlichen Katastrophenschützern indess nicht! Während der Woche muss das verwendete Material wieder einsatzklar gemacht und vor allem die große THW-Präsentation am Sonntag, 10.07.2016 von 10:00 – 16:00 Uhr in der Luitpoldanlage vorbereitet werden. "Selbstverständlich werden wir dort auch eine kleine, ca. 9 m lange Behelfsbrücke Typ Bailey aufgebaut zeigen, damit sich die Besucher einen Eindruck von diesem Behelfsbrückensystem machen können" führt Wüst weiter aus. Am THW-Infotag am kommenden Sonntag stellt sich der Ortsverband mit seinem gesamten Leistungsspektrum, dass ja weit über das reine Brückenbauen hinausgeht, der Öffentlichkeit vor.
Das Technische Hilfswerk ist die einzige Hilfsorganisation in Deutschland, die über umfangreiche Fähigkeiten im Bereich der kritischen Infrastrukturen verfügt. Dazu gehört neben dem Behelfsbrückenbau auch die Trinkwasseraufbereitung, die z. B. in Simbach gut 5,5 Millionen Liter Trinkwasser herstellten, die Ölschadenbekämpfung in großem Stil, die Notstromversorgung, das flächige Ausleuchten von Einsatzstellen und vieles mehr. "Vorhaltungen für den Katastrophenfall und vor allem im Bereich der sog. kritschen Infrastrukturen, das zeigt die Katastrophe im Landkreis Rottal-Inn, sind auch und gerade in unserer hochtechnisierten Gesellschaft unverzichtbar" so Michael Wüst abschließend. "Vorhaltung kostet Geld – aber es ist gut angelegt. Und der Einsatz der ehrenamtlichen Kräfte ist keine Arbeit, die nicht bezahlt wird, es ist Arbeit, die nicht bezahlt werden kann!"
Behelfsbrücke Gemeinde Wittibreut über PAN4
- Behelfsbrückengerät:
- Typ Bailey
- Bauweise:
- 2-stöckig, 3-wandig
- Brückenklasse 30
- Länge:
- 30,55m
- Eigengewicht:
- 56,3 to.
- Bauzeit:
- Freitag, 10.06. – Sonntag, 12.06.16
- inkl. Materialtransport von Freising an den Einsatzort
- Freitag, 10.06. – Sonntag, 12.06.16
- Eingesetzte Helfer:
- 45 Helfer OV Freising (Bau und Transport)
- 2 Helfer OV Göppingen (Transportunterstützung)
- 2 Helfer OV Fürstenfeldbruck (Transportunterstützung)
- 2 Helfer OV Dachau (Transportunterstützung)
- 2 Mitglieder Freiwillige Feuerwehr Freising (Transportunterstützung)
- 2 Helfer THW-Landesverband Bayern (Transporthilfe mit Sattelzug
- 45 Helfer OV Freising (Bau und Transport)
Behelfsbrücke Gemeinde Zeilarn nach Winkelmühle über den Tanner Bach
- Behelfsbrückengerät:
- Typ Bailey
- Bauweise:
- 2-stöckig, 2-wandig
- Brückenklasse 30
- Länge:
- 27,50m
- Eigengewicht:
- 40,2 to.
- Bauzeit:
- Freitag, 17.06. – Sonntag, 19.06.16
- Eingesetzte Helfer:
- 39 Helfer OV Freising (Bau und Transport)
- 18 Helfer aus dem THW-Landesverband Niedersachsen/Bremen
- Anlieferung von Behelfsbrückenteilen aus dem Brückenlager Delmenhorst im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums
Behelfsbrücke Stadt Simbach am Inn an der Straße nach Obersimbach (Schulzentrum)
- Behelfsbrückengerät:
- Typ Bailey
- Bauweise:
- 1-stöckig, 3-wandig; mit außenliegendem Fußgängerweg
- Brückenklasse 30
- Länge:
- 15,30m
- Eigengewicht:
- 19,4 to.
- Bauzeit:
- Freitag, 01.07. – Sonntag, 03.07.16
- inkl. Materialrücktransport von Simbach nach Freising
- Eingesetzte Helfer:
- 42 Helfer OV Freising (Bau und Transport)
- 6 Helfer OV Eggenfelden (Unterstützung beim Aufbau)
- 2 Helfer THW-Landesverband Bayern (Transporthilfe mit Sattelzug