54 ehrenamtliche Einsatzkräfte errichten im 3-Schicht-System eine Behelfsbrücke vom Typ Krupp D als Not- und Rettungszufahrt sowie für den Baustellenverkehr im Bereich der Großbaustelle an der A99 in der Nähe des Feringasees über den Mittleren Isarkanal
„48, 88, 5.490, 40, 120, 3, 500“. Diese Zahlen hatten für die ehrenamtlichen Einsatzkräfte des THW Freising am letzten und haben auch an diesem Wochenende große Bedeutung und absolute Priorität! Und dabei handelt es sich weder um eine neue Telefonnummer für die THW-Unterkunft noch um die Kombination für den Werkzeugschrank des Ortsverbands.
Seit Freitag, 15.03.19 um 07:30 Uhr bauen die ehrenamtlichen Einsatzkräfte der Fachgruppe Brückenbau des Freisinger THW-Ortsverbands eine Behelfsbrücke vom Typ Krupp D mit fester Fahrbahn als Not- und Rettungszufahrt sowie für den Baustellenverkehr im Bereich eines Brückenersatzneubaus an der Ostumfahrung Münchens, der BAB A99 auf. Da mit fortschreitendem Baufortschritt an dem Autobahnbrückenneubau die Zufahrt über den bisherigen Weg nicht mehr möglich ist, bat die Autobahndirektion Südbayern um Hilfe beim THW. „Die Krupp D-Brücke ist eines der im THW gebräuchlichen Behelfsbrückengeräte und bietet für die Gegebenheiten an der Einsatzstelle die optimalen Bedingungen“ stellt der Gruppenführer der Fachgruppe Brückenbau, Florian Wigger“ fest. „Fast 50 m freie Spannweite über den mittleren Isarkanal und die Möglichkeit, auch schwere LKW die Brücke passieren zu lassen machte die D-Brücke zur einzigen Lösung dort vor Ort“.
Und damit lässt sich auch das Rätsel der unterschiedlichen Zahlen lösen:
„48“ m lang wird die Behelfsbrücke an der BAB A99, die mit „88“ to. Eigengewicht alles andere als schmal daherkommt. Die genau „5.490“ Schrauben, die zur Montage der Behelfsbrücke notwendig sind, lassen die über 40 Einsatzkräfte trotz kühlen Wetters ausreichend schwitzen. Denn einschl. des Montageschnabels, der vor der eigentlichen Behelfsbrücke vorgebaut ist, haben sie, unterstützt von „3“ Ortsverbänden insgesamt „120“ to. Material in am Ende deutlich mehr als „500“ ehrenamtlichen Einsatzstunden verbaut!
„Seit der Starkregenkatastrophen von Simbach, in deren Folge die FGr. Brückenbau des THW Freising vier Behelfsbrücken mit jeweils gut 30 m Länge errichtet hatte, werden wir vermehrt angefragt, ob wir Behelfsbrücken errichten können.“ freut sich Florian Wigger. „Dabei ist es wichtig, die Vor- und Nachteile und die Leistungsdaten der unterschiedlichen Behelfsbrückengeräte nicht nur theoretisch zu kennen, sondern regelmäßig mit dem praktischen Aufbau der verschiedenen Behelfsbrücken die notwendige Erfahrung und Ausbildung zu vertiefen.“ so Wigger weiter. „Für uns, als die einzige Organisation im Zivil- und Katastropohenschutz mit dieser Fähigkeit ist es zudem extrem wichtig, den Behelfsbrückenbau auch in realen Szenarien zu üben um die notwendige Sicherheit und Erfahrung für den ad-hoc Bau zu erhalten und zu vertiefen.“
Die direkt neben der Baustelle verlaufende Autobahnring A99 legt einen konstanten Geräuschteppich über die Baustelle. Druckluftschrauber wummern, Vorschlaghämmer passen mit lauten Schlägen Bauteile in ihre Positionen ein. Motoren heulen auf, wenn der THW-Bergekran neue Bauteile an die Brücke hebt oder der Radlader Material an die verschiedenen Montageplätze schafft. Dazu schallen die Kommandos der Führungskräfte – ruhig im Ton, klar verständlich aber auch sehr deutlich – über die Baustelle. Die gut 25 ehrenamtlichen Einsatzkräfte pro Schicht arbeiten hochkonzentriert Hand in Hand bei der Brückenmontage. Und so wächst diese Behelfsbrücke Feld um Feld und wird immer wieder mit den Greifzügen und Stahlseilen ein Stück weiter über den Mittleren Isarkanal gezogen, damit hinten neue Brückenfelder angebaut werden können.
Größte Herausforderung beim Brückenbau war für die Einsatzkräfte am ersten Wochenende die Witterung: „Natürlich sind wir keine Schönwetter-Einsatzkräfte“ stellt Jürgen Fischer, Einsatzleiter Brückenbau der Nachmittagsschicht, klar. „Aber wir bewegen tonnenschwere Stahlbauteile mit Kränen auf der Baustelle, die von den Einsatzkräften millimetergenau eingepasst werden müssen. Diese wurden durch die starken Windböen immer wieder aufgeschaukelt und die Last stellte damit trotz Sicherung eine Gefährdung für die auf der Brücke arbeitenden Helfer dar.“ Vor allem die schlechte Witterung am Freitag des ersten Aufbauwochenendes, starker Wind und Regen, hatten den Bauzeitplan gleich zu Beginn verzögert. Dieser Rückstand konnte aber bis Sonntagabend vergangener Woche durch das hohe Engagement der Freisinger Einsatzkräfte weitestgehend wettgemacht werden. „Aktuell liegen wir relativ gut im Zeitplan“ beschreibt der stv. Zugführer des THW Freising, Stefan Knoll. die aktuelle Situation. „Allerdings“, so schränkt er ein, „haben wir damit unsere eingeplanten Zeitreserven auch schon ziemlich weit aufgebraucht“.
Um den Zeitplan für den Aufbau, zwei Wochenenden, halten zu können, stellten die Führungskräfte nach dem ersten Wochenende auf 3-Schicht-Betrieb um. Jeweils zwischen 15 und 20 Einsatzkräfte waren am zweiten Wochenende von 7:30 – 16:30 in der Früh-, von 15:30 – 00:30 in der Spät- und von 23:30 – 08:30 in der Nachtschicht im Einsatz. Unterstützt wurden die Freisinger THW-Kräfte von Einheiten des THW Markt-Schwaben und des THW Rosenheim.
„Es war eine besondere Herausforderung, eine solche Baumaßnahme im 24-Stunden-Betrieb umzusetzen“ so Florian Erler, Gruppenführer der Fachgruppe Beleuchtung. „Mit den Beleuchtungsmitteln des Ortsverbands, Lichtmasten, konventionellen und LED-Leuchtkörpern auf Stativen, war es uns aber problemlos möglich, die gut 3.800 m² große Einsatzstelle nahezu taghell auszuleuchten. Und den für die Baumaßnahme notwendigen Strom stellten wir mit unseren Aggregaten auch noch zur Verfügung“ so Erler weiter.
Eine Materialschlacht der anderen Art spielte sich während der beiden Brückenbauwochenenden im Ortsverband ab: Dort kümmerte sich die Küchengruppe um OV-Köchin Aloisa Kürzinger etwas im Verborgenen um die Verpflegung der Einsatzkräfte. „Die Menge der Einsatzkräfte stellte uns hier vor keine besonderen Herausforderungen. Wir verpflegen bei jeder OV-Ausbildung im Schnitt zwischen 30 und 50 Einsatzkräfte. In diesem Fall war aber der 3-Schicht-Betrieb am zweiten Wochenende für die Küchencrew eine echte Herausforderung“ erklärte OV-Köchin Kürzinger. „Auch für uns hieß das: Schichtbetrieb!“ Für jeweils rd. 20 Einsatzkräfte pro Schicht musste die Verpflegung in der OV-Küche hergestellt, an die Einsatzstelle gebracht und im dort aufgebauten Verpflegungs- und Aufenthaltszelt ausgegeben werden.
Eine echte Erleichterung im Vergleich zur alten Unterkunft war dabei die vom THW-Helferverein Freising e. V. finanzierte Industrieküche. Hier fanden die Frauen der Küchengruppe optimale Arbeitsbedingungen und konnten so eine abwechslungsreiche Verpflegung über das gesamte Wochenende hinweg herstellen. Und um die Moral der schraubenden Truppe möglichst hoch zu halten, backten die Damen auch noch jede Menge Kuchen für die kleinen Pausen zwischendurch.
Dank des für einen Behelfsbrückenbau nahezu perfekten Wetters und der hohen Motivation der Helferinnen und Helfer am zweiten Wochenende konnte der Zeitverlust nicht nur wett gemacht werden. Nachdem die Brücke in der Nacht vom Samstag auf Sonntag die für die Restmontage notwendigen Meter vorgeschoben worden war, erfolgte der komplette Vorschub bis in die Endposition dann am Sonntagmorgen.
Kaum war dies erledigt, begannen Einsatzkräfte mit Hilfe des Krans den sog. Vorbauschnabel, eine rd. 33 m lange u. gut 30 to. schwere Hilfskonstruktion für den Brückenvorschub wieder zu demontieren. Parallel wurde die zum Absetzen und zur Sicherung der Brücke auf den vorgefertigten Brückenlagern notwendigen Vorarbeiten durchgeführt. Pünktlich um 21.30 Uhr konnte der Freisinger Brückenbauleiter melden: „Brücke ist abgesetzt. Sie ruht jetzt auf den Wiederlagen. Wir beginnen mit dem Rückbau der Brückenbaustelle“.
Gegen 23:30 Uhr am vergangenen Sonntag war die gesamte Ausstattung auf die Einsatzfahrzeuge verladen und die Einsatzkräfte müde aber sichtlich stolz auf das Geleistete wieder in der Freisinger THW-Unterkunft. Entgegen der sonst üblichen Gepflogenheit die Einsatzbereitschaft nach einem Einsatz sofort wiederherzustellen, erfolgte dies nach einem Tag Ruhe am Dienstagabend. Wobei „Ruhe“ in diesem Kontext für die Helferinnen und Helfer nur relativ war, da die meisten Montagmorgen wieder in ihren Berufen gefordert waren.
„Unser Dank gilt aber nicht nur den montierenden Helferinnen und Helfern aus unserem Ortsverband sowie aus Markt-Schwaben und Rosenheim! Dank gebührt dem im D-Brückenbau erfahrenen Ortsbeauftragten Gunnar Kreidl vom Ortsverband Pfeddelbach für seine fachliche Unterstützung beim Aufbau. Ein ganz besonderer Dank aber gebührt der Gruppenführerin der FGr. Brückenbau des THW Müllheim, Fiona Mager, sowie Patrick Weisser, stv. Ortsbeauftragter, ebenfalls aus Müllheim. Deren fachliche Expertise und Unterstützung mit auf den D-Brückenbau zugeschnittenem Werkzeug und Gerät, dass sie extra nach Ascheim mitgebracht hatten, war einer der Erfolgsfaktoren bei der erfolgreichen Umsetzung dieses Projekts“ so Florian Wigger dankbar. „In Bayern wurde und wird traditionell eher das Bailey Behelfsbrückengerät gebaut“ erläutert er weiter. „Und da wir uns für den ersten Aufbau einer D-Brücke in Bayern auch gleich die maximal komplexe Ausbaustufe und Größe vorgenommen hatten, waren die Tipps der befreundeten Ortsverbände extrem hilfreich“. Seit vielen Jahren gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen den THW-Fachgruppen Brückenbau vor allem im fachlichen Austausch. „Die gemeinsame Umsetzung dieses Projekts ist ein Musterbeispiel für den Ausbildungscharakter und die Zusammenarbeit von THW-Einheiten über die Grenzen der Bundesländer hinweg“.
Nach derzeitiger Bauplanung wird die Brücke nun bis Oktober stehen und dann von der Freisinger THW-Brückenbaugruppe und den Helferinnen und Helfern des OV wieder zurück gebaut werden.