Anfang August 2023 kam es durch Starkregen in Slowenien und anderen Ländern zu einer verheerenden Flutkatastrophe. Dabei wurden unter anderem auch zahlreiche Brücken zerstört und damit wichtige Verkehrs- und Infrastrukturverbindungen für große Teile der Bevölkerung unterbrochen. In der Folge bat Slowenien am 06. August 2023 über den so genannten Europäischen Katastrophenschutzmechanismus um Unterstützung, unter anderem für den Bau von Behelfsbrücken und den Einsatz von Ketten- und Schreitbaggern. Im Auftrag der Bundesregierung und des Auswärtigen Amts übernahm das Technische Hilfswerk die Koordinierung des Hilfeersuchens. In Folge dessen wurde noch am gleichen Tag ein Erkundungsteam zusammengestellt, zu dem auch der Gruppenführer der Freisinger Fachgruppe Brückenbau gehörte.
Am 07.08.2023 traf das Erkundungsteam in Slowenien ein und wurde dort direkt durch den slowenischen Zivilschutz in Empfang genommen und zur ersten Erkundung geleitet. Allein dies zeigte wie dringlich die Unterstützung benötigt wurde. Vor Ort bot sich dem Team das leider typische Bild nach einer Flutwelle. Viele Brücken wurden durch Treibgut beschädigt, Uferbereiche und damit auch Fundamente ausgespült, unterspült oder einfach weggespült. Hinzu kamen Zerstörungen an wichtiger Infrastruktur, wie Trinkwasser oder Strom, die oft entlang der Flüsse und Brücken verlegt werden. In Prevalje, der erste Ort der Erkundung und später auch Standort der beiden Brücken, wurden gleich zwei lebenswichtige Brücken zerstört. Der Fluss Meza hatte hier aber nicht nur Brücken zerstört, sondern auch die Trinkwasser-, Strom, Gas- und Abwasserversorgung massiv beschädigt. Parallel zur Erkundung erhielt der Ortsverband Freising den Einsatzauftrag, den Bau von zwei Behelfsbrücken vom Typ Bailey vorzubereiten und durchzuführen.
Nach einer intensiven Einsatzbesprechung noch am selben Abend begannen am Dienstag, dem 8. August, die umfangreichen Vorarbeiten: Insgesamt wurden mehr als 100 Tonnen Brückenmaterial ausgelagert und transportfertig zusammengestellt. Rund 30 Tonnen Holz für den Fahrbahnbelag wurden beschafft, maßgerecht zugeschnitten und mit Bohrungen versehen. Das für die erste Brücke benötigte Material wurde dann am Mittwoch auf Fahrzeuge und Anhänger des OV Freising sowie sechs LKW-Züge zusätzlich alarmierter Ortsverbände verladen, so dass bereits am Donnerstag, dem 10. August, ein beeindruckender Konvoi von insgesamt vierzehn THW-Fahrzeugen mit zwölf Anhängern in Richtung Slowenien starten konnte.
Währenddessen gingen die Erkundungen und Vorbereitungen für den Brückenbau in Slowenien weiter. Immer geführt und begleitet durch den slowenischen Zivilschutz konnte das Vorausteam insgesamt 14 Brücken erkunden. Dies erfolgte teilweise in Zusammenarbeit mit dem kroatischen Militär, die Slowenien ebenfalls Bailey-Brücken angeboten hatten.
Am Freitagmorgen (11.08.2023) begannen die rund 30 Einsatzkräfte unmittelbar mit den Arbeiten direkt im Ortszentrum von Prevalje: Die Rollbahn für die Montage der Brücke wurde eingerichtet und die Auflager der Behelfsbrücke vorbereitet.
Dabei mussten die Brückenbau-Experten feststellen, dass der Untergrund an einer der geplanten Lagerpositionen unvorhersehbar doch nicht tragfähig war. Die Behelfsbrücke musste also länger werden, 30,55 Meter anstatt der ursprünglich geplanten 27,50 Meter. Um die erforderliche Tragfähigkeit zu erreichen, war nun auch eine stärkere Bauart – dreiwandig statt zweiwandig – notwendig. Zusätzliches Brückenmaterial war erforderlich!
Und während vor Ort die Montagearbeiten mit dem bereits vorhandenen Material begannen, wurden die Unterstützungskräfte im heimatlichen Freising erneut aktiv. Zwei weitere LKW-Züge wurden mit Bailey-Material beladen und machten sich auf den Weg nach Prevalje. Und sie trafen dort mit dem dringend benötigten Material nur rund eine Stunde, bevor die Arbeiten wegen fehlender Teile hätten unterbrochen werden müssen, ein. Just-in-time nach THW-Art 😊
Nach dem Vorschub der Behelfsbrücke über den Fluß Meza stand noch eine besondere Herausforderung vor den Brückenbau-Experten: Durch die örtlichen Gegebenheiten konnte die Brücke nicht, wie sonst üblich, direkt in der Achse der späteren Position montiert und vorgeschoben werden. Hier war es erforderlich, ein Ende der Brücke anzuheben und um rund zwei Meter seitlich zu versetzen. Nachdem sich die Hubkraft des Freisinger Mobilkrans für das hier anzuhebende Gewicht als zu gering herausstellte, wurde zusätzlich ein Kranfahrzeug des slowenischen Zivilschutzes alarmiert, das innerhalb weniger als einer Stunde vor Ort war. Gemeinsam konnten beide Kräne die Brücke dann an ihre endgültige Position heben.
Trotz kräftezehrender Arbeit in großer Hitze konnte durch den motivierten Einsatz der beteiligten THW-Kräfte und der großartigen Unterstützung durch den slowenischen Zivilschutz, Firmen vor Ort und auch die Zivilbevölkerung die Montage der ersten Behelfsbrücke am Abend des vierten Tages abgeschlossen werden. Dank behelfsmäßiger Auffahrtsrampen aus Bailey-Material konnte die Brücke unmittelbar durch die Bevölkerung genutzt werden. Ein riesiger Schritt zurück zu Normalität für einen ganzen Ortsteil, der durch die Zerstörung der ursprünglichen Brücke bis dahin verkehrstechnisch praktisch abgeschnitten und nur durch einen temporären Fußgängersteg erreichbar war.
Eine spontane „Eröffnungsfeier“ mitten in der Nacht des 14.08.2023 mit großer, emotionaler Beteiligung der Bevölkerung bewies den THW-Einsatzkräften eindrücklich, wie wichtig die wiederhergestellte Verbindung für die Bewohner von Prevalje war und wie sehnsüchtig diese die Behelfsbrücke erwartet hatten.
Die offizielle Eröffnung folgte dann am 16.08.2023 gemeinsam mit der Präsidentin des THW Sabine Lackner, Prevaljes Bürgermeister Matic Tasic, dem Präsidenten des slowenischen Zivilschutzes, Leon Behin, dem slowenischen Verteidigungsminister Marjan Sarec und dem deutschen Botschafter in Slowenien Adrian Pollmann.
Nach der Brücke ist vor der Brücke! Dieses alte Motto der THW-Brückenbauer gilt auch für den Einsatz in Prevalje, denn bereits am nächsten Morgen (15.08.2023) begannen die Arbeiten zur zweiten Behelfsbrücke. Rund 800 Meter flussaufwärts entfernt sollte eine zweite, baugleiche Bailey-Brücke, ebenfalls mit einer Länge von 30,55 Metern erstellt werden. Hier war der Zugang zu Wohnhäusern und Gewerbe nur noch durch einen provisorischen Steg möglich. Fahrzeuge konnten das Gelände nicht mehr erreichen.
Das Brückenbaumaterial wurde einen Tag zuvor aus Freising mit fünf Gliederzügen bayrischer Räumgruppen nach Slowenien transportiert.
Zwischenzeitlich waren hier bereits passende Brückenauflager durch eine Baufirma erstellt worden. Trotzdem war auch diese Baustelle nicht ohne besondere Herausforderungen: Um eine wichtige Verbindungsstraße nicht vollständig sperren zu müssen, konnte immer nur ein drei Meter langes Brückensegment montiert werden. Dann musste die Brücke jeweils um diese Länge vorgeschoben werden. Auch diese Brücke konnte bereits nach vier Tagen am 18.08.2023 komplett fertig gestellt und mit Muskelkraft(!) an ihre endgültige Position abgesetzt werden. Als die THW-Kräfte mit dem Einbau des Holzbelages fertig waren, stand eine Baufirma bereits parat, um sofort die Auffahrtsrampen anzuschütten.
Weniger als eine Stunde nach den letzten Handgriffen der THW-Spezialisten an der Brücke, fand bereits die offizielle Eröffnungsfeier unter großer Beteiligung der Bevölkerung statt, eine Blaskapelle sorgte für den festlichen Rahmen.
Nach dem Aufräumen, Verladen und einer entspannten Nacht ging es dann für alle THW Helfer am 19.08.2023 zurück, begleitet durch Feuerwehr, Zivilschutz und Polizei bis zur österreichischen Grenze. Damit endeten nach der Heimkehr 13 Tage Einsatz in Slowenien und Deutschland!
Was den Freisinger Brückenbauern an diesem Einsatz besonders in Erinnerung bleiben wird, ist die riesige, immer wieder spontan ausgedrückte Dankbarkeit der Bevölkerung. Immer wieder wurden wir mit frisch gebackenem Kuchen oder Getränken versorgt. Es wurde gewunken, gehupt oder wir wurden direkt angesprochen. Man kommt morgens an die Baustelle und es hingen neue Dank-Transparente an der Brücke oder am Führungszelt.
Diese unglaublich positiven Reaktionen zeigten uns als Einsatzkräften deutlich, warum wir uns für dieses Engagement entschieden haben. Diese Motivation nehmen wir mit, davon werden wir noch lange zehren. Ganz herzlichen Dank, Prevalje!
Und noch ein ebenso herzliches Dankeschön an alle THW-Ortsverbände, die uns bei diesem Einsatz unterstützt haben:
- Beim Bau der Behelfsbrücken vor Ort in Prevalje:
THW Fürth und THW Dachau - Beim Verladen der Brückenteile und beim Transport nach Slowenien:
THW Augsburg, THW Landshut, THW Markt Schwaben, THW Miesbach, THW München-Ost, THW Nürnberg, THW Schwabach und THW Weilheim
Das Interesse der lokalen und internationalen Presse am THW Einsatz war enorm hoch. Neben der Berichterstattung in Zeitungen und einschlägigen Internetportalten erfolgten auch regelmäßige Berichte im Fernsehen inkl. Live-Interviews von der Baustelle.
Hier ein paar Links zu weiterführenden Berichten und Videos:
https://youtu.be/PteAp6DGWAE?feature=shared
https://youtu.be/6DpZXjdSMhs?feature=shared
https://youtu.be/_2PSrRTeJoE?feature=shared
https://youtu.be/NVb153Grilw?feature=shared
https://youtu.be/HyCpeYyeBNQ?feature=shared
https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/abendschau-der-sueden/ass-thw-skype-wuest-100.html
https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/rundschau/230813-rs-slowenien-cb-100.html
https://www.ardmediathek.de/video/morgenmagazin/thw-hilfseinsatz-in-slowenien/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL21vcmdlbm1hZ2F6aW4vMTVkYWVmMjYtYjcwZC00N2Y5LTgyMjEtMzEwYWM1OTZmODQy